Immer mehr Rentner und zugleich immer weniger Erwerbstätige führen spätestens 2030 zu einem totalen Crash für unsere Gesellschaft, ist sich Uwe Amrhein, Leiter des Generali Zukunftsfonds, sicher. Welche Lösungsansätze hierfür bietet unsere Arbeitswelt, lautete daher das Diskussionsthema der FreiwilligenAgentur Knotenpunkt des Förderprogramms „engagiertestadt Kaufbeuren“ im Haus St. Martin; der Abend diente zugleich als Auftaktveranstaltung für die „Zukunftswerkstatt“. Mit Repräsentanten aus der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft soll eine „Zukunftswerkstatt“ initiiert werden, um in einem gemeinsamen Netzwerk Ideen zu realisieren, für die Sicherung des Lebens- und Wirtschaftsraumes Kaufbeuren. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, mehrere Stiftungen und der Generali Zukunftsfond sind die Träger von „engagiertestadt“.
Die kreisfreie Stadt Kaufbeuren wurde erfolgreich bundesweit als eine von insgesamt 50 Kommunen in das Programm aufgenommen. Die regionale Umsetzung ist bei der FreiwilligenAgentur Knotenpunkt unter der Leitung von Angelika Lausser im Generationenhaus im Baumgarten angesiedelt. Hochkarätige Referenten stellten sich gemeinsam einer öffentlichen Diskussion, um die „Zukunftswerkstatt“ erfolgreich zu starten. Die Arbeitswelt werde sich massiv verändern, prophezeite Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, wobei der Mensch jedoch auch bei den Digitalisierungsprozessen im Mittelpunkt bleiben werde. Nach seinen Worten müssen jedoch einige Definitionen von Arbeit, wie Arbeitszeitregelungen sowie die Verbindung mit dem Familienleben, neu gefasst werden. Pschierer sprach von einer „Entkoppelung von Zeit, Wohn- und Beschäftigungsort sowie einer höheren Flexibilisierung“. Steigende Bedeutung gewinne neben der Aus- auch die Fort- und Weiterbildung, um den Veränderungen gerecht werden zu können, so Staatssekretär Pschierer.
Uwe Amrhein sieht die aktuellen politischen Diskussionen zum Thema demographischer Wandel als eine Verharmlosung der Realität. „Wir brauchen einen grundlegenden, sozialen Wandel, der weit darüber hinaus geht“, unterstrich Amrhein, Leiter Generali Zukunftsfond. Im Jahr 2030 steht jedem Erwerbsfähigen ein Rentner gegenüber. Ein heute 20-jähriger müsse dann seinen eigenen Lebensstil, einen Rentner, die steigenden Pflegekosten, die Energiewende sowie den Schuldenabbau des Staates finanzieren, rechnete Amrhein vor: „Das kann nicht gut gehen!“ Jeder Mensch müsse daher als Teil der Verantwortungsgemeinschaft handeln. Dazu gehöre laut Amrhein der „Dreiklang von Arbeitswelt, Familienarbeit und freiwilligem bürgerschaftlichen Engagement“. Dies könne nur glücken, wenn die drei Säulen aus Politik, Wirtschaft und zivilen Sektoren zusammen wirken, um „fließende Übergangsmodelle“ zu schaffen. Gerade ältere Menschen sollen mehr eingebunden werden.
„Das Potential älterer Arbeitnehmer“ weiß Kreishandwerksmeister Robert Klauer auch im eigenen Bauunternehmen zu schätzen. „Wir sollten die Erfahrung nutzen und sie nicht einfach mit Renteneintritt in den Sand setzen“, meinte Klauer. So könnten Senioren beispielsweise an anderen Stellen im Beruf noch eingesetzt werden. Damit dies für die Bürger attraktiv sei, müssten die Hinzuverdienstgrenzen nach oben verbessert werden. Dem schließt sich Staatssekretär Pschierer an: „Dazu verdienen sollte bis zu einer bestimmten Grenze ohne Abzug möglich sein.“
Von den steten Bemühungen des Kolping Bildungszentrums Allgäu, die Menschen in der Arbeitswelt zu integrieren, berichtete dessen Leiter Gerd Kirsch dem Publikum im Haus St. Martin. „Der berufliche Weg ist oft aufgrund von Umstrukturierungsprozessen nicht mehr so stringent wie früher, deshalb sind häufig Umschulungen erforderlich“, erläuterte Kirsch: „Viele Menschen ab 55 Jahren sind Goldperlen“. Gerade altersmäßig gemischte Teams erbringen ein hohes Maß an Produktivität, wenn die Komponenten Erfahrung erfolgreich mit Kreativität und Spontanität gemixt werden. Auch bei der Auswahl von Mentoren für Joblinge e.V. nimmt Heike Steinhauser gerne reifere Menschen, die ihre eigenen Erfahrungen mit Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren teilen, um diese zu befähigen, ihre eigenen Wege einzuschlagen.
Mit der FreiwilligenAgentur „Knotenpunkt“ hat das Generationenhaus den Zugang zum Förderprojekt „engagiertestadt“ geschafft. Das Team möchte eine „Zukunftswerkstatt“ initiieren, um Bürger, Unternehmer und Vertreter von Einrichtungen zu vernetzen, Lösungen und Ideen zu entwickeln, die Kaufbeuren als Standort attraktiver werden lassen. Für die Realisierung stehen dem Generationenhaus Fördermittel in Höhe von 50.000 Euro zur Verfügung, verteilt auf drei Jahre. Begleitet wird dies Vorhaben von „Kaufbeuren aktiv“ mit dem Bildungsbüro.
Wer sich als Teilnehmer in der neuen „Zukunftswerkstatt“ einbringen möchte, ist herzlich willkommen und wird gebeten, sich bis Mitte Oktober unter der Telefonnummer 08341 / 9 08 08 98 oder per Mail an info@knotenpunkt-kaufbeuren.de zu melden.
Der Verein Generationenhaus Kaufbeuren e. V. mit dem Mehrgenerationenhaus und der FreiwilligenAgentur „Knotenpunkt“ wurde im Jahr 2005 von einem Kreis Kaufbeurer Bürger gegründet; seit 2011 befinden sich die zugehörigen Räume im Baumgarten 32.

Podiumsdiskussion zum Auftakt für das Vorhaben „engagiertestadt Kaufbeuren“ mit hochkarätigen Teilnehmern (von links): Tanja Stölzle, Bildungsbüro Kaufbeuren, Alfred Riermeier, Stadtverwaltung, Angelika Lausser, Leiterin Generationenhaus Kaufbeuren, Kreishandwerksmeister Robert Klauer, Staatssekretär Franz Josef Pschierer, Uwe Amrhein, Leiter Generali Zukunftsfond, Gerd Kirsch, Kolping Bildungszentrum Allgäu, Moderator Achim Kettler, Oberbürgermeister Stefan Bosse und Heike Steinhauser, Joblinge e.V.
ess / Foto: Simm